Generalverdacht? Die Betroffenenperspektive auf den NSU-Komplex
Seit der Selbstenttarnung des NSU-Trios ist viel über die Täter und das staatliche Versagen im Umgang mit Rechtsterrorismus und bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes gesprochen worden. Immer zu kurz kommt in der öffentlichen Auseinandersetzung allerdings die Perspektive der Opfer und der Hinterbliebenen. Nicht nur, dass sie geliebte Angehörige verloren haben, die plötzlich schmerzhaft aus dem Leben gerissen wurden – auch das Versagen der staatlichen Ermittlungsorgane vor der Aufdeckung des NSU, hat tiefe Wunden gerissen und das Vertrauen dieser Menschen in den Staat massiv erschüttert. In allen Mordfällen, die heute dem NSU angelastet werden, außer dem an Michèle Kiesewetter in Heilbronn, wurde zunächst gegen die Opfer selbst und deren Angehörige ermittelt. Aber auch in Heilbronn werfen die Ermittlungspannen bei den Untersuchungen unmittelbar nach der Tat Fragen auf. Unterliegen Migranten bei Ermittlungsbehörden tatsächlich einem Generalverdacht?
Herbert Heuß ist Politikwissenschaftler und Wissenschaftlicher Leiter des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma. Er hat diverse Publikationen zum Thema NS-Verfolgung, zur Situation von Roma in Südost-Europa sowie zur Antiziganismusforschung veröffentlicht.
Mehmet Gürcan Daimagüler ist promovierter Rechtsanwalt, Kolumnist und Buchautor. Im NSU-Verfahren vertrat er die Geschwister von Abdurrahim Özüdoğru, der 2001 ermordet wurde, und die Tochter von İsmail Yaşar, den der NSU 2005 erschossen hatte.
Sevinç Daş ist Gastronomin und 2. Vorsitzende des Türkischen Frauenvereins Heilbronn. Darüber hinaus engagiert sie sich im Beirat für Partizipation und Integration der Stadt Heilbronn.
Sibylle Thelen ist Journalistin, Autorin, Turkologin und Co-Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Zudem engagiert sie sich als Mitglied des Kuratoriums des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart.