Auf dem Karussell fahren alle gleich schnell

Eine musikalisch-literarische Festwiese | Benefiz-Veranstaltung

Benefizveranstaltung zum Abschluss des bundesweiten Theaterprojekts »Kein Schlussstrich!« zugunsten der Hildegard Lagrenne Stiftung, die sich für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland einsetzt.

Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief ein, als die Musik, weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt, als diese. Das Anhören einer großen, vollstimmigen und schönen Musik ist gleichsam ein Bad des Geistes; es spült alles Unreine, alles Kleinliche, alles Schlechte weg, stimmt Jeden hinauf auf die höchste geistige Stufe, die seine Natur zulässt …
Arthur Schopenhauer

Zum Abschluss des bundesweiten Theaterprojekts »Kein Schlussstrich!« laden unter der Schirmherrschaft des Theaters Heilbronn vier sehr unterschiedliche Partner auf der Bühne des Großen Hauses zu einem Rundgang über »eine musikalisch-literarische Festwiese« ein: die phantastischen Gipsy-Jazzmusiker Christoph König (Violine), Dario Napoli (Gitarre) und Benji Nini Winterstein (Rhythmusgitarre), der Poetry Slammer Sulaiman Masomi, das Württembergische Kammerorchester und und die Big Band-Besetzung des Landespolizeiorchesters Baden-Württemberg. Das künstlerische Projekt, arrangiert und dirigiert von Christian Dominik Dellacher, entsteht zu Ehren der Opfer des NSU – und zum Gedenken an die Wunden, die xenophobe Gewalt und rassistische Ausgrenzung sowohl bei den Betroffenen wie auch in der Gesellschaft hinterlassen. Getragen wird es dabei von dem Gedanken eines lebendigen Miteinanders.

Ausgangspunkt des Projekts bildet der Festplatz Theresienwiese in all seiner Ambivalenz. Als Tatort des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter, der ein schreckliches Behördenversagen nach sich zog, ist die Heilbronner Theresienwiese seit 2007 assoziativ mit der gewaltsamen Abwehr alles Fremden und Andersartigen verbunden. Traditionell aber steht sie doch eigentlich für einen Ort des gesellschaftlichen Vergnügens, an dem Volksfeste, Jahrmärkte, Rockkonzerte oder Flohmärkte stattfinden, Zirkusse Station machen; einen Ort an dem sich Menschen jeglichen Alters und jedweder gesellschaftlicher und ethnischer Herkunft zum fröhlichen Miteinander treffen und der durch ein Erlebnis der Außeralltäglichkeit eine Verbindung zwischen seinen Besuchern schafft. Frei nach dem Schlager von Jürgen Marcus »Auf dem Karussell fahren alle gleich schnell« gibt es keine Unterschiede mehr.
Genau dieser symbolischen Wiederaneignung eines utopischen Festlichkeitsgedankens widmet sich die musikalisch-literarische Festwiese im Theater Heilbronn: Puccini und Gershwin treffen auf die Texte von Sulaiman, dem Rapper und Bühnenpoeten und Dvořak auf die Klänge des Gipsy-Jazz-Trios. Rimsky-Korsakov und Sting, Piazzolla und Milhaud sind ebenfalls mit von der musikalischen Partie. Für einen langen Augenblick findet das vermeintlich Unvereinbare zueinander, wird das unmöglich Scheinende musikalisch und performativ möglich.

Sulaiman Masomi, Poetry Slam
Der studierte Literaturwissenschaftler und Bühnenpoet arbeitet und lebt irgendwo zwischen Kabul, Köln und Krefeld. Dort wuchs er auf nach der Flucht seiner Familie vor Krieg und Terror in Afghanistan. Er schreibt seit er 12 Jahre alt ist. Nach ersten Erfolgen bei Poetry Slams hat Sulaiman mittlerweile mehr als 1000 Auftritte im gesamten deutschsprachigen Raum absolviert, war für das Goethe-Institut u. a. in Kairo, Mexiko-City, San Francisco, Riga und Jerusalem unterwegs. Sulaiman ist überdies Rapper und Jury-Mitglied der Berliner Festspiele für das »Treffen junger Autor*innen«.

Christoph König
Der virtuose klassische Violinist mit Vorliebe zu osteuropäischer Musik ist auch im Jazz Zuhause. Er spielt mit großen Vertretern des Gypsy Swings, u. a. mit Kussi Weiß, Mario Adler, Titi Bamberger, Lulo Reinhardt.

Dario Napoli
Er gilt europaweit als der aufsteigende Star am Gipsy-Gitarrenhimmel – der Italiener vertritt die Modernisierung des Django Reinhardt-Stils und tritt europaweit bei Jazzfestivals auf.
 
Benji Nini Winterstein
Er ist Gypsy Jazz-Rhythmusgitarrist und Nachfahre aus der berühmten Musikerfamilie um Titi Winterstein. Er gehört zu den unermüdlichen Arbeitern der Rhythmusgitarre, ist unverzichtbares Herzklopfen eines Gipsy-Jazz-Orchesters, so wie es Django Reinhardt einst ohne Drums vorgesehen hat.