Sechs Tanzstunden in sechs Wochen
von Richard AlfieriDeutsch von Johan Grumbrecht
Lily, eine attraktive ältere Dame, gönnt sich in ihrem Ruhestand ein bisschen Abwechslung und mietet sich von der Agentur »Sechs Tanzstunden in sechs Wochen« einen Tanzlehrer für zu Hause. Die Agentur schickt den ehemaligen Revue-Tänzer Michael, einen gut aussehenden Italiener, dem allerdings manchmal das Temperament durchgeht. Schon bei der ersten Begegnung kracht es. Lily ist genervt von Michaels »Groschenweisheiten«, die er ihr über die Hintergründe des Swings vermitteln möchte. Michael nennt sie »eine verknöcherte alte Schachtel«. Natürlich will Lily ihn sofort wieder loswerden. Doch Michael fleht sie an, es weiterhin mit ihm zu versuchen. Er brauche den Job, um seine schwerkranke Frau zu ernähren. Lily, die es als Lehrerin mit so manchem schwierigen Schüler zu tun hatte und die als Predigergattin Nächstenliebe leben muss, lässt sich erweichen. Und so endet diese erste Lektion in einem berauschenden Tanz zwischen der Lady und dem Tanzlehrer. Lily tanzt so gut! Es scheint, dass sie gar keinen Unterricht braucht. Warum dann der Lehrer? Aber sie ist auch sehr neugierig, forscht über Michael nach und stellt empört fest, dass er sie nach Strich und Faden belogen hat. Doch auch Lily nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, wie sich schon bald herausstellen wird. Keiner von beiden würde es je zugeben, aber bei Swing, Tango, Walzer, Foxtrott, Cha-Cha-Cha und Twist kreuzen sie ihre Klingen mit Genuss und fassen langsam Vertrauen zueinander, obwohl ihre ungleichen Temperamente immer wieder kollidieren.
In ebenso leichtfüßigen wie tiefsinnigen Dialogen erzählt »Sechs Tanzstunden in sechs Wochen« von Toleranz und von der Chance, die es bedeutet, die Welt mit den Augen des Anderen zu sehen und vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen zwei komplizierten Charakteren.
Uwe Grosser | Heilbronner Stimme | 13. November 2023
Regisseur Thomas Winter hat mit Sabine Unger und Christian Manuel Oliveira ein großartiges Paar an seiner Seite … Oliveira ist glaubwürdig als gebeutelter junger Mann, der ein Selbstbewusstsein vor sich herträgt, das in Wirklichkeit sehr brüchig ist. Umwerfend gut ist Sabine Unger als sein nicht minder verunsichertes Gegenüber. Dieses Lächeln, durch das immer wieder eine tiefe Verzweiflung schimmert, die ganze Mimik und Gestik: Da sitzt alles. … Für das Publikum ist diese tiefgründige Komödie jedenfalls ein Gewinn: viel Spaß mit einem ordentlichen Schuss Nachdenklichkeit.