Prima facie

von Suzie Miller
Deutsch von Anne Rabe

Für die Inszenierung »Prima facie« erhalten Sie beim Kauf von zwei Karten zum Normalpreis die 2. Karte zum ermäßigten Sonderpreis von 50 % (nur an der Theaterkasse unter dem Stichwort »Sonderpreis« erhältlich).

 

Dem ersten Anschein nach – prima facie – scheint der Sachverhalt klar zu sein: Eine Frau gibt an, vergewaltigt worden zu sein, der Mann steht vor Gericht. Prima facie bedeutet aber auch: bis auf Widerruf. Steht ein Anscheinsbeweis fest, so obliegt es der Gegenseite, ihn zu erschüttern. Darauf hat sich die junge Strafrechtsanwältin Tessa spezialisiert.

Ihr Spezialgebiet ist die Verteidigung von Männern, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Die Prozesse sind für sie wie Sport, ein Spiel, das sie unbedingt gewinnen will. Ob ihr Mandant die Dinge getan hat, die ihm zur Last gelegt werden, will sie gar nicht wissen. Sie ist auf der Suche nach den Ungereimtheiten in den Aussagen der Opfer und der Zeugen, den Argumenten, mit denen sie den Prima-facie-Beweis aushebeln kann. Und sie findet sie. Immer! »Bei sexuellen Übergriffen steht meist Aussage gegen Aussage. Ja, die sexuelle Handlung fand statt, aber war sie auch einvernehmlich?« Tessa muss nicht beweisen, ob das Opfer, das fast immer weiblich ist, zugestimmt hat, sondern dass der Mann nicht wusste, dass es kein Einvernehmen gab. Auf diese Weise hat es Tessa geschafft. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, hat sie sich zur Top-Anwältin hochgearbeitet. Sie gewinnt fast jeden Prozess.

Die Freisprüche feiert sie dann mit ihren Anwaltskollegen. Doch Vorsicht: »Eine Regel unter Anwälten lautet, schmücke dich nicht mit dem Sieg. Schon am nächsten Tag kannst du verlieren.« Aber das passiert Tessa selten, ihr Rat ist unter den Kollegen gefragt. Auch ihr Kollege Julian braucht ihre Hilfe. Abends nach der offiziellen Arbeit, bei Wodka und Smalltalk, kommen die beiden sich näher. In Julians Büro schlafen sie miteinander. Wird das eine Beziehung? Fast sieht es so aus. Doch dann passiert etwas, was Tessa nicht für möglich hielt. Julian wird sexuell übergriffig, ignoriert ihr Nein und ihre körperliche Abwehr! Obwohl für Tessa alles auf dem Spiel steht, ihre Karriere, ihre Freunde, ihr Privatleben, geht sie noch am selben Tag zur Polizei und zeigt Julian wegen Vergewaltigung an. Plötzlich steht sie auf der anderen Seite und erlebt die Vorgänge in einem Vergewaltigungsprozess als Opfer und Zeugin der Anklage. Die Erkenntnisse, die sie dabei gewinnt, verändern gründlich ihre Sicht auf die Dinge und das juristische System.

Suzie Millers aufwühlender Monolog wurde 2019 in Sydney mit sensationellem Erfolg uraufgeführt. Er wurde nicht nur als Theaterereignis gefeiert, sondern auch in juristischen Kreisen intensiv diskutiert. Seit 2022 ist das ergreifende Stück auf Siegeszug durch Europa. 2023 wurde es mit dem Laurence-Olivier-Award, dem wichtigsten Theaterpreis Großbritanniens, ausgezeichnet. Die deutsche Übersetzung von »Prima facie« von Anne Rabe wird im Herbst 2023 neben Heilbronn an gleich mehreren Theatern in Deutschland erstmals aufgeführt.

Sie möchten mehr über die Inszenierung erfahren? Dann hören Sie doch in unsere 56. Podcastfolge hinein.

Zum »SWR Kultur«-Beitrag zur Inszenierung gelangen Sie HIER

Brigitte Fritz-Kador | Rhein-Nackar Zeitung | 18. Oktober 2023

Sarah Finkel meistert alle Stufen dieser Entwicklung und den sehr wortreichen Text dazu bravourös, ›abgestuft‹ durch alle Phasen: von Erfolg ganz oben bis an den Rand der Existenz. Das gelingt auch dank der Regie von Elias Perrig, die keine Effekte braucht, sie setzt ganz auf die Sequenzen sachlicher oder emotionaler Erzählung, so stimmig, wie auch das sachlich-graue Bühnenbild ... dazu ist.

Ranjo Doering | Heilbronner Stimme | 2. Oktober 2023

Sarah Finkel gelingt dieser forcierte Perspektivwechsel eindrucksvoll. Bemerkenswert spielt sie diese junge Frau, die aus schwierigen Verhältnissen stammt und ein Leben lang auf der Suche nach Anerkennung ist, sich beweisen musste und muss … Perrigs Inszenierung ist nicht plakativ, spart sich jeglichen Pathos, nimmt den Zuschauer mit auf diese erschütternde Tour de Force der Protagonistin – von den klinisch-forensischen Untersuchungen im Krankenhaus bis zur detaillierten Aufdröselung vor Gericht, bei der sie gnadenlos über einen Vorfall verhört wird, der sich vor Jahren zugetragen hat, und gezielt Zweifel an ihrer Aussage gesät werden. Dafür gibt es minutenlangen Applaus vom Premierenpublikum für eine sichtlich ergriffene Sarah Finkel und das gesamte Inszenierungsteam.

Christian Muggenthaler | Meindl & Muggenthaler meindlundmuggenthaler.de | 9. Oktober 2023

Am Theater Heilbronn hätte das Stück eigentlich als Studioproduktion inszeniert werden sollen, jetzt ist es aber auf der großen Bühne herausgekommen – und gewinnt dabei noch. Denn es sucht explizit die Nicht-Intimität. Es geht aufs große Ganze. Und wenn man dann eine Schauspielerin wie Sarah Finkel hat, die all die Facetten ihrer Figur ausfüllen kann, sie verstehbar macht in ihren Entwicklungen und Brüchen, ihrem Triumph und ihrer Verzweiflung, die auch das große Schauspielhaus bis in die letzten Ecken erreicht, funktioniert das Unterfangen bestens.
Sarah Finkel wirkt in den zwei Stunden langem, breitem und großem Monolog dennoch vollkommen unangestrengt … Sie macht die Welt eines Individuums auf, unterstützt von der Regio von Elias Perrig, der Szene für Szene mit Licht und Ton neue Segmente der Erzählung schafft, mit deutlichen Wechseln. Ansonsten wirkt auch die Regie unangestrengt – und in dieser beiderseitigen Gelassenheit dem Text gegenüber lassen sie ihn zu und zeigen in seinem ganzen kämpferischen Gestus alle menschlichen und individuellen Ausgestaltungen. Jede einzelne der emotionalen Wendungen, die der Text für eine Schauspielerin bieten, machen ihn zu einem großen Angebot als dramatischer Monolog über die Gegenwart.